Es ist soweit. Endlich kommt nach Avery und Dymar aus Sanizra Amai: Partnerseelen auch die Geschichte zu Averys Schwester und was sie nach ihrer Entführung in der Dämonenwelt alles erlebte :)
Klappentext:
Belfi glaubte immer, dass sie in ihrem Leben nie etwas erleben würde, bis sie von einem schaurigen Wesen entführt wird. Ihre Reise bringt sie nach Kanturas, eine Welt, die anders nicht sein konnte. Schon bei ihrer Ankunft steht fest, dass sie den Weg nach Hause und damit auch ihren Bruder finden will, wenn da nicht Tarina und Larana wären, die ihr Leben auf den Kopf stellen. Zudem wird Kanturas von einer Bedrohung heimgesucht, derer sie Herr werden müssen.
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Leseprobe Kapitel 1-3:
Kapitel eins:
Es war ein Tag wie jeder
andere. Belfi saß daheim, während ihr Bruder irgendwo dort draußen
war. Frei und ungebunden. Er konnte die Freuden der Natur und der
Freiheit genießen, wonach auch sie sich oftmals sehnte. Übel nehmen
tat sie es ihm aber nicht. Nein. Das wäre eindeutig falsch, auch
wenn sie viel lieber ihren Sehnsüchten nachgegeben hätte, um
draußen in der freien Natur zu sein.
Als Frau musste sie
allerdings ihren häuslichen und ehelichen Pflichten nachkommen.
Nicht, dass sie es nicht gerne tat, aber sie hatte dadurch keine Zeit
für sich. Immer hatte sie irgendetwas zu tun, immer eine Aufgabe.
Ihr Mann wusste schon, wie er sie fordern musste, und sie war es auch
gar nicht anders gewohnt. Sie hatte nie ein anderes Leben
kennengelernt. Gewiss, sie hatte schon viele Geschichten aus anderen
Dörfern oder Ländern vernommen, wodurch ein großer Drang nach
Freiheit und Abenteuern in ihr geboren wurde, aber sie hatte dem nie
nachgegeben.
Belfi wusste, dass es ihr
nicht gut bekommen würde, einfach aus diesem Leben zu verschwinden
und ihr Glück in der Fremde zu versuchen.
Von den ganzen Menschen,
die ab und an durch ihr Heimatdorf kamen und Geschichten aus aller
Herren Länder erzählten, hatte sie erfahren, wie gefährlich es in
dieser Welt war.
Frauen, die nicht gerade
Kriegerinnen waren oder sich selber irgendwie schützen konnten,
waren leichte Beute. Es gab Geschichten von Überfällen, Mord,
Vergewaltigungen und Verschleppungen in fremde Länder, wo Frauen
unter noch schlechteren Bedingungen lebten als hier.
Belfi erschauderte immer
wieder, wenn sie an die Erzählungen zurückdachte. Sie war
vielleicht nicht glücklich mit ihrem Leben, aber wenigstens war sie
hier nicht allein.
Kurz wanderte ihr Blick in
einen leicht blind gewordenen Spiegel, welcher das Bild einer
22-jährigen, rothaarigen Frau zeigte. Die Sommersprossen aus ihrer
Kindheit waren gewichen und hatten reiner, fast weißer Haut Platz
gemacht. Das rote Haar war zu zwei unsauberen Zöpfen geflochten, da
sie die Bürste vor wenigen Tagen verlegt hatte. Nun hingen sie ihr
über die Schultern und über die Brüste herunter. Immer flocht oder
band sie sie zusammen, denn sonst störten sie nur bei den Arbeiten,
was nicht sein musste.
Kurz fuhr sie sich mit
einer Hand über ihre Nase, welche sie für zu klein befand. Belfis
Meinung nach war sie etwas knubbelig, während ihre Augen eine
dunkelgrüne Farbe zeigten.
Ein schmutziges Grün,
sagte ihr Mann Gerd immer.
Gerd war kein Mann von
schönen oder freundlichen Worten. Er war etwas wohlhabender als die
anderen Männer im Dorf und schon 39 Jahre alt. Eigentlich sollte er
eine gute Partie sein. Belfis Vater hatte diesen Mann auserwählt,
weil Gerd ein Auge auf Belfi geworfen und ihm eine große Summe für
sie geboten hatte. So hatten die Männer sich gütlich geeinigt, nur
Belfi war die Leidtragende.
So reich ihr Mann auch
war, so mies strahlte sein Charakter hervor.
Belfi hatte die Ehe vom
ersten Tag an bereut. Dabei hatte sie diesen Mann nie ehelichen
wollen. Sie wollte aber auch keine Schande über ihre Familie
bringen. So ertrug sie ihn nun schon fast fünf Jahre.
Fünf Jahre der Tyrannei.
Ungern erinnerte sich
Belfi an die Tage, an denen Gerd wieder wütend oder angetrunken in
ihr gemeinsames Haus und auch in das Ehebett einkehrte. Es waren
keine schönen Erinnerungen. Umso mehr genoss sie allerdings die
Zeit, in der ihr Gatte nicht da war oder sie ihren Bruder traf.
Avery war der liebste
Mann, den sie kannte. Oft kümmerte er sich um seine Schwester und
legte gute Worte bei Gerd für sie ein. Er hatte den Mann auch schon
oft zurechtgewiesen, dass er Belfi besser behandeln sollte, was aber
nie lange anhielt.
Sie konnte sich immer auf
ihn verlassen, musste aber auch akzeptieren, dass ihr Bruder sein
eigenes Leben lebte. Er konnte nicht immer für seine kleine
Schwester da sein, sodass sie versuchte, nicht zu oft mit ihrem
Gatten aneinanderzugeraten. Zudem halfen Averys Taten nur bedingt
etwas, denn Gerd ließ sich nur selten etwas sagen, vor allem da
Belfi einer ihrer Pflichten bisher nicht hatte nachkommen können.
Nachwuchs gebären.
Seit fast vier Jahren
versuchten sie es nun schon, was allerdings nie mit Erfolg gekrönt
gewesen war. Immer öfter näherte sich Gerd am Abend oder auch mal
am Tag seiner Frau mit der eindeutigen Absicht, Sex zu haben, um
endlich Nachwuchs zu bekommen. Belfi glaubte allerdings, dass es Gerd
mehr um den Sex an sich ging, und hatte es langsam, aber sicher satt,
denn Nein sagen durfte sie nicht.
Es war vielleicht nicht
verboten, aber wenn sie nicht den Zorn ihres Gatten erleben wollte,
so war es ihr unmöglich, die sexuellen Absichten abzulehnen. Aber
selbst, wenn sie es schaffte, die Worte der Verweigerung
auszusprechen - was sie einmal kurz nach ihrer Hochzeit getan hatte
-, so akzeptierte es Gerd nicht und nahm sich ohne Rücksicht auf
Verluste, was er wollte.
Es schien ihn sogar zu
erregen, wenn sie nicht wollte, sodass Belfi irgendwann einfach nur
noch unter ihm lag und ihn machen ließ. Ihr Blick wanderte dann
jedes Mal an die Decke, während er sich an ihr austobte. Sie träumte
dann immer von einer besseren und schöneren Zukunft. Eine, die mehr
für sie bereithielt.
Zu Belfis Glück war Gerd
aber wenigstens am Tag immer aus dem Haus, um auf den Feldern zu
arbeiten. Nur selten verirrte er sich gegen Mittag nach Hause, um
seiner Frau nahezukommen. Dabei sollte er lieber seine Arbeiter auf
dem Feld beschäftigen. Von nichts kam auch nichts und er war nicht
umsonst so ein vermögender Mann, auch wenn Belfi davon oftmals nur
wenig merkte. Gerd war meistens sehr geizig, was sein Geld anging.
Seufzend wandte sie den
Blick vom Spiegel ab, bückte sich und griff nach dem Eimer mit dem
Wischwasser.
In dem trüben Wasser
schwamm ein grauer Wischlappen. Mit dem Eimer begab sie sich in die
Küche, wo sie den Boden wischen wollte. Sie kniete sich nieder und
holte den Lappen heraus, wrang ihn aus und fing an zu wischen.
Es war eine ziemliche
Knochenarbeit, das Haus sauber zu halten, aber wenigstens
beschäftigte es sie und lenkte sie vom herannahenden Abend ab.
Mit einem Mal aber hielt
Belfi inne.
Was war das?
Ein Knacken und Raunen.
Ein Rascheln und Kratzen. Sie hörte eindeutig ein fremdes Geräusch
im Haus, das hier nicht hingehörte. Konnte es Gerd sein, der sich
wieder die Freiheit herausnahm und am Mittag das Feld verließ, um
seine Frau aufzusuchen.
War er schon wieder
daheim?
Dabei war dies erst vor
drei Tagen geschehen, und Gerd hatte einen einigermaßen gut
einprägsamen Rhythmus.
Es war noch nicht wieder
an der Zeit.
Langsam erhob sie sich und
ging schleichend zur Küchentür, um Gerd notfalls nicht sofort auf
sich aufmerksam zu machen. Vielleicht hatte sie noch die Möglichkeit,
sich einfach unsichtbar zu machen und alles auf den Abend zu
verschieben.
Vorsichtig blickte sie aus
der Küche raus und suchte nach dem Ursprung.
Ihr Atem stockte sofort,
als sie das Wesen erblickte, welches diese schaurigen Geräusche
verursachte.
War das ein böser Traum,
der sie plagen wollte?
Ein schlechter Scherz, von
irgendjemandem aus dem Dorf?
Dort, unweit vor ihr,
direkt neben den Treppen, die nach oben führten, stand ein nacktes
Wesen mit dem Rücken zu ihr. Es war spindeldürr. Die Haut sah aus
wie Pergament und zog sich straff über die Knochen. An den Fingern
hatte es je vier Krallen und auf dem Kopf Stacheln. Als es sich
umdrehte, konnte Belfi zudem reinweiße Augen erkennen, so als wäre
es blind. Nicht mal Pupillen waren zu sehen.
Hastig zog Belfi sich in
die Küche zurück. Sie glaubte nicht, dass es ein Scherz war, denn
sie spürte die Gefahr, die von dieser Gestalt ausging. Es lief ihr
wie ein kalter Schauder über den Rücken und bereitete ihr eine noch
größere Angst, als Gerd es je könnte.
Schnell suchte sie nach
einem Versteck, wendete dabei hastig ihren Kopf hin und her. Es gab
nicht wirklich einen Ort, der sich zum Verbergen eignete. Nichts,
außer der Nische unter der Sitzbank.
Es war nicht viel Platz
darunter, aber mit etwas Geschick, schaffte es Belfi - als sie leise
dorthin schlich und sich auf Händen und Knien herunterließ -, sich
in die schmale Lücke zu quetschen. Es war sehr unangenehm und eng,
aber die Hauptsache war, dass man sie nicht mehr sah, wofür sie auch
ihr Kleid näher an sich heranraffte.
Eine starke Unruhe machte
sich in Belfi breit. Unbewusst krümmte sie ihre Finger auf dem
Boden, was ein leises Kratzgeräusch verursachte.
Ein plötzlicher Knall
ließ Belfi zusammenzucken und zur Tür blicken, die sie aus diesem
Blickwinkel nur ungenügend sah.
Was war das?
Was war geschehen?
War irgendetwas zu Bruch
gegangen?
Belfi konnte es nicht
sagen. Sie konnte nur unter der Sitzreihe hervor die Füße, die in
der Tür auftauchten, erkennen. Das fremde Wesen war hereingekommen,
aber mehr als die sehnigen Beine, an dessen Füße je drei Krallen,
die doppelt so lang wie Belfis Zeigefinger waren, konnte sie nicht
sehen. Bei jedem Schritt auf dem Boden klackerten die Krallen und
jagten Belfi einen Kälteschauer über den Rücken.
So leise, wie es ihr nur
möglich war, versuchte sie zu atmen. Nicht, dass es sie noch hörte.
Und wer wusste schon, was es mit ihr anstellte. Noch nie hatte Belfi
von einem Wesen gehört, dass so aussah wie dieses hier. Allgemein
hatte sie noch nichts von anderen Geschöpfen gehört, außer in den
Gutenacht- oder Gruselgeschichten, die man ihr und Avery als Kind
erzählt hatte.
Aber das waren doch nur
Geschichten.
Nicht mehr.
Was war das nur für ein
Wesen? Belfi hatte so etwas noch nie gesehen und besonders freundlich
hörte sich das Geschnatter auch nicht an.
Die Schritte wirkten sehr
unentschlossen und wollten sich für keine bestimmte Richtung
entscheiden. Fast, als würde es etwas oder jemanden suchen.
Zumindest hatte Belfi dieses Gefühl. Woher das kam, wusste sie
nicht, aber es war so intensiv, dass sie nicht wagte, ihm zu
widersprechen und sich zu zeigen.
Eine Hand legte sie sich
auf ihren Belfis Mund, wollte nicht, dass sie aus Versehen einen Laut
von sich gab, während das Wesen die Küche zerstörte. Es warf Töpfe
und Teller um. Hier und da auch einen Blumentopf, der ihm wohl im Weg
war. Besteck und andere Dinge verteilten sich polternd auf dem Boden.
Belfis Blick war weiterhin
auf die sehnigen Füße gerichtet, welche ganz plötzlich ihre
unstete Richtung änderten und auf sie zukamen.
Hatte es sie entdeckt?
Die Füße blieben vor dem
Tisch und der Sitzbank stehen und einen Moment war es still, während
es die Krallen auf dem Boden bewegte und tiefe Furchen in das Holz
kratzte. Hoffentlich ging es bald, denn Belfi hielt tapfer die Luft
an, damit sie nicht entdeckt werden würde.
Leider vergebens, denn
plötzlich wurde der Esstisch ohne große Probleme angehoben und fand
seinen Weg an die gegenüberliegende Wand.
Belfi konnte einen
erschrockenen Laut nicht verbergen und spürte deutlich, wie auch die
Sitzbank ihren Platz verließ und so die Sicht auf sie freigab.
Angsterfüllt sah Belfi zu dem nackten Wesen hinauf und tief in die
weißen, unheimlichen Augen.
Nicht einen Muskel
konnte sie rühren, während ihr Blick automatisch über das Wesen
glitt.
Wirklich.
Keine Kleidung und dann
diese Haut. Als hätte man ein straffes Laken über spitze Knochen
gespannt.
Ganz vorsichtig hob sie
ihren Kopf an und konnte das unheimliche Gesicht erkennen. Ebenso die
Hörner auf dessen Kopf. Rechts, links, oben, überall auf dem Kopf,
außer im Gesicht. Aus ihrer Perspektive waren es nur vier, aber
gewiss gab es noch viel mehr.
Noch mehr Angst kroch in
Belfi hoch, als sich ihr Gegenüber nicht rührte und sie nur
anstarrte. Furcht setzte sich in ihr fest und wollte nicht mehr
loslassen. Was wollte es von ihr? Ganz langsam setzte sie sich auf
und behielt das Etwas genau im Auge.
„Was … was willst du
von mir?“, fragte Belfi zögerlich, als es sich auch jetzt nicht
rührte und sie einfach weiter still anstarrte. Ihr Blick wanderte zu
dessen Ohren, die irgendwie gespalten wirkten, und zu der Nase,
welche recht platt war.
Ein
krächzend-quietschendes Geräusch ließ sie wieder aufmerksamer
werden. Sie sah, wie ihr das Wesen die Krallen entgegenstreckte. Was
hatte es vor? War ihr Ende jetzt gekommen? Dabei hatte sie noch so
viel erleben wollen, auch wenn das mit einem Mann wie Gerd und in
diesem Dorf völlig unmöglich war.
Angsterfüllt presste sie
sich an die Küchenwand hinter ihr und drehte das Gesicht weg. Aus
dem Augenwinkel beobachtete sie, mit hektisch hebendem und senkendem
Oberkörper, was es vorhatte.
Bevor es sie allerdings
berühren konnte, erklang die Haustür und das Wesen richtete sich
ruckartig auf.
„Belfi? Wo bist du schon
wieder?“, brüllte Gerd durch die Wohnung und kurz klackerte das
Wesen mit dem lippenlosen Mund, dann aber sprang es einfach durch das
Fenster, welches mit einem Klirren zu Bruch ging und verschwand.
Belfi sah dem Wesen
hinterher, während die Angst noch immer ihre Fühler nach ihr
ausstreckte. Dass ihr Mann die Küche betrat und seine Blicke dabei
immer zorniger durch den Raum schweiften,
bekam sie nicht mit. Sie war zu abgelenkt, was ein schrecklicher
Fehler war. Keine zwei Sekunden später war ihr Mann bei ihr, packte
ihren Oberarm, zerrte sie auf die Beine. Mit der anderen Hand holte
er dagegen weit aus.
Durch die neue Gefahr
abgelenkt, richtete sie alle Aufmerksamkeit auf ihren Ehemann und
bemerkte erst jetzt, dass dieser denken musste, sie habe das ganze
Chaos verursacht. Er hatte das fremde Wesen gewiss nicht gesehen.
Der Schreck durchfuhr sie
erneut.
„Ich war es nicht, Gerd
… das war dieses Wesen, was aus dem Fenster gesprungen ist“,
versuchte Belfi sich erfolglos zu rechtfertigen. Es half nichts und
schien Gerds Wut nur noch mehr anzustacheln. Die Hand, die ausholte,
traf mit einem lauten Klatschen auf Belfis Wange. Ihr Kopf ruckte zur
Seite und das Brennen benebelte ihre Sinne für einen Moment.
„Dummes Weib. Was musste
ich auch gerade eine wie dich ehelichen“, brüllte er seiner Frau
entgegen.
Nur langsam wurde Belfi
wieder Herrin über ihre Sinne und spürte, wie etwas aus ihrer Nase
lief. Kurz wischte sie sich mit dem Handballen darüber und erblickte
das Blut. Das war aber gerade unwichtig, da Gerd erneut ausholte.
Noch ein Schlag?
Würde er sie verprügeln?
Zuzutrauen war es ihm.
Bevor er aber noch mal
zuschlagen konnte, ertönte ein Kreischen und das Wesen, das vorhin
aus dem Fenster gesprungen war, kam wieder herein und stürzte sich
auf Gerd. Es riss ihn zu Boden und verbiss sich in dessen Schulter.
Gerd konnte nur noch einen lauten Schrei ausstoßen, ehe sich die
Hand um Belfis Oberarm löste und dieser mit seinem Angreifer zu
Boden ging. Das Blut floss aus dem, mit rasiermesserscharfen Zähnen
besetzten Maul heraus und spritzte nach allen Seiten gegen die Wände
und die Inneneinrichtung. Selbst Belfi bekam das ein oder andere ab.
Geschockt sah Belfi dem
Ganzen zu, ehe sie sich zusammenriss, aufrappelte und aus dem Haus
stürmte. Direkt vor der Haustür hielt sie allerdings erneut an.
Das Wesen in ihrem Haus
war nicht das einzige. Überall konnte sie jetzt Schreie und lautes
Gekreische hören. Eines der Häuser im Dorf hatte sogar Feuer
gefangen.
Schnell setzte sich Belfi
wieder in Bewegung und rannte, so schnell sie ihre Beine trugen. Sie
musste hier raus, weg, so weit sie konnte, bevor auch ihr Leben ein
Ende fand.
Plötzlich aber sprang
eines der Monster aus einem der Nachbarhäuser heraus.
Das Gesicht war
blutverschmiert. Hatte es gerade einen Menschen getötet? Ganz
sicher, denn woher sollte das Blut in seinem Gesicht sonst stammen.
Fast wäre sie in es
reingerannt, konnte aber gerade so noch anhalten.
Das Vieh sah Belfi mit
seinen weißen Augen entgegen und kreischte irgendetwas in ihre
Richtung. Belfi verstand es nicht. Sie konnte kaum klar denken, so
groß war ihre Furcht. Sie war so gewaltig, dass sie einfach rechts
an dem Wesen vorbeilief.
Aus Angst, es könnte ihr
eines dieser Viecher folgen, traute sie sich nicht, sich umzudrehen.
Schnell und immer
schneller rannte sie. Avery war ihre einzige Hoffnung. Hoffentlich
ging es ihm gut. Sie musste sich beeilen und schnell zu ihrem Bruder.
Sie betete zu allen Göttern, dass nichts passiert war.
Während sie rannte,
lösten sich ihre Zöpfe langsam, aber sicher und versperrten der
Flüchtenden ab und an die Sicht, was sie aber nicht davon abhielt,
Hindernissen auf ihrem Weg auszuweichen.
Endlich sah Belfi vor sich
das Dorftor, wo sie raus konnte. Bevor sie es allerdings erreichte,
versperrten ihr zwei dieser grausigen Wesen den Weg. Anhalten konnte
Belfi nicht mehr, dafür hatte sie zu viel Tempo drauf. Ihr blieb
nichts anderes über, als ihre Arme zu heben und sie vor ihrem
Gesicht zu verschränken, während sie weiterrannte.
So rauschte Belfi zwischen
den Wesen hindurch, zog dabei den Kopf ein und schaffte es, völlig
unbeschadet hindurchzukommen. Keines hatte sie erwischt, keines
verletzt. Nicht mal ansatzweise.
Konnte sie ein so großes
Glück haben?
Kurz sah Belfi über die
Schulter, aber die Monster waren verschwunden. Anhalten würde sie
deswegen aber gewiss nicht. Sie rannte weiter und weiter.
Beeilen.
Immer schneller, bevor ihr
diese Wesen zuvorkamen. Wesen, die einer Gruselgeschichte entsprungen
waren.
Belfi wusste, wo sie ihren
Bruder fand. Ein Platz, den nur wenige Leute kannten und welcher
einem Ort voller Frieden für sie am nächsten kam.
Nach einer guten halben
Stunde kam Belfi endlich zu einer Blumenwiese. Es blühten die
unterschiedlichsten Blumen, die man sich vorstellen konnte, in jeder
erdenklichen Farbe. Heute hatte sie für diesen Anblick nur leider
keine Zeit, auch wenn es schon länger her war, seit sie diesen Ort
das letzte Mal besuchte. Sie musste jetzt einfach weiter und konnte
keine Rücksicht auf die Natur nehmen.
Schon von Weitem sah sie
den Fluss und den Baum, an und unter welchem ihr Bruder gerne lag.
„Avery… Avery?“,
rief Belfi gehetzt und hoffte, dass er auch wirklich hier war. Oder
hatte er sich heute nicht hierhergeschlichen? War er vielleicht auf
dem Feld? Das konnte sich Belfi nicht vorstellen, da sie wusste, wie
sehr Avery diesen Ort liebte.
Tatsächlich aber erhob
sich nah dem Fluss aus dem Blumenmeer ein Kopf. Wenig später stand
ihr Bruder sogar auf und kam ihr das letzte Stück entgegen. Ob er
bemerkte, wie panisch seine Schwester war? Belfi konnte es nicht
sagen, aber sie war froh, als sie endlich bei ihm war und nach Luft
schnappen konnte.
„Was ist geschehen,
Belfi? Wer hat dir das angetan?“, fragte Avery mehr als besorgt,
während Belfi sich nur kurz und eher aus Gewohnheit, über das
geblümte Kleid strich und dann seine Hände packte, bevor er ihr
Gesicht auch nur berühren konnte.
Sicher hatte Gerds
Behandlung Eindruck hinterlassen, was Avery jedes Mal sofort auffiel.
„Wir müssen hier fort
Avery“, teilte Belfi ihm panisch mit, aber er versuchte sie nur zu
beruhigen.
„Ruhig, Belfi. Was ist
denn los? War Gerd wieder grob zu dir?“, fragte er seine Schwester
besorgt und zog ein graues Stofftuch aus seinem Ärmel, um ihr das
Blut unter der Nase fortzuwischen.
„Gerd ist jetzt völlig
egal. Das Dorf wurde überfallen!“ Damit stieß Belfi seine Hand
etwas grob zur Seite.
Ihre Nase war jetzt
wirklich mehr als unwichtig und Gerd allemal, zumal der
wahrscheinlich gerade tot in ihrer Küche lag. Angeknabbert und
zerfetzt von diesem Wesen.
„Überfallen? Von wem?“,
fragte er geschockt, sodass Belfi etwas hilflos die Hände hob.
„Ich weiß es nicht. Es
waren ganz komische nackte Wesen mit scharfen Klauen und spitzen
Zähnen und ganz weißen Augen“, versuchte sie die Ungeheuer zu
beschreiben und bemerkte sofort Averys erstauntes Gesicht, spürte
die Hand auf ihrer Stirn.
„Hast du Fieber? So
etwas, was du es da gerade beschreibst, gibt es nicht“, fragte er
sanft, aber Belfi schlug die Hand erneut weg. Wieso glaubte er ihr
nicht? Warum ...? Aber war es nicht eigentlich klar? Sie selber hätte
es wohl auch nie geglaubt, wenn man ihr eine solche Geschichte
aufzutischen versuchte. Hätte die Person, wenn es nicht gerade ihr
Bruder war, für verrückt erklärt, auch wenn es sich für eine Frau
nicht schickte.
„Soll das heißen, ich
lüge? Das tue ich ganz gewiss nicht. Bitte glaube mir, Avery. Wir
müssen hier weg!“ Damit zog Belfi an seiner Hand und hoffte, dass
er ihr endlich folgen möge, aber er hielt sie fest. Wieso war er nur
so stur. Sie hatten keine Zeit zu reden. Belfi hatte die Monster mit
eigenen Augen gesehen. Hatte ihnen gegenübergestanden.
„Beruhige dich. So
schlimm wird es nicht sein. Komm, lass uns zurück…“, meinte er,
hielt aber plötzlich inne und starrte mit großen Augen hinter seine
Schwester. Nur kurz zögerte Belfi, drehte sich dann aber auch um,
schluckte hart und wich ängstlich zurück.
Belfi verkniff sich ein,
ich habe es dir ja gesagt.
Dafür war in diesem Moment gar keine Zeit.
In einigen Metern
Entfernung hinter ihnen stand eines dieser Wesen und starrte sie an.
Seine leblos wirkenden Augen huschten zwischen den beiden hin und
her. Es legte sogar den Kopf schief, bis dessen gespaltenes Ohr die
Schulter berührte. Wollte es die Menschen besser sehen oder warum
tat es so was?
„Was bei allen Göttern
ist das?“, keuchte Avery und stellte sich schützend vor Belfi,
sodass sie ihre Hände in sein Oberteil krallen konnte.
Belfi schielte voller
Furcht an Avery vorbei zu dem Wesen, das ein paar Schritte näherkam
und sogar einen Bogen dabei beschrieb.
Avery allerdings drehte
sich ebenfalls, hielt Belfi weiter verdeckt, sodass das Wesen es
andersherum versuchte. Wie ein Raubtier, das sich vor dem Angriff in
die beste Position bringen wollte. Eine Beute, die offensichtlicher
nicht sein konnte.
Es will mich,
schoss es Belfi durch den Kopf, und die Angst versetzte ihr einen
Tritt, der ihr Herz kurze Zeit aus dem Rhythmus brachte. Sie drückte
sich näher an Avery, welcher die Arme schützend vor seiner
Schwester ausbreitete. Wenigstens hatte er nun wohl eingesehen, das
Belfi recht hatte, auch wenn es in ihren Augen bereits zu spät dafür
war.
Wahrscheinlich wäre ihrer
beider Flucht ohnehin umsonst gewesen, aber sie hätten es wenigstens
versucht.
„Verschwinde, was auch
immer du bist“, knurrte Avery dem Wesen laut entgegen, das ein
schnatterndes Geräusch von sich gab. Fast, als wolle es etwas
erwidern. Als wolle es mit ihm reden, ihn zu etwas auffordern.
„Hau ab“, rief Avery
ihm erneut entgegen, aber es trat nur näher heran. Fünf Schritte
von seinen Opfern entfernt blieb es stehen.
Es streckte eine seiner
Klauen nach den Menschen aus. Nein. Nach Belfi streckte er sie aus,
aber Avery schlug sie fort, worauf es empört anfing zu kreischen.
Belfi konnte sehen, dass
es wütend darüber war. Vielleicht fühlte es sich auch um seine
Beute betrogen. Das wusste es garantiert nur selber. Avery aber schob
seine Schwester mit einer Hand hinter sich zurück und näher an den
Fluss heran.
Das Monster wollte den
beiden folgen, aber plötzlich kam ein leichter Wind auf.
Einer, den Belfi gar nicht
bemerkt hätte, wenn er nicht von Sekunde zu Sekunde zugenommen
hätte.
Gemeinsam wichen die
Geschwister zum Baum am Fluss zurück und klammerten sich an diesem
fest. Der Wind wurde unbeeindruckt immer stärker, griff nach seinen
Opfern und riss ihnen den Boden unter den Füßen fort. Erschrocken
schrie Belfi auf.
„Halt dich fest, Belfi“,
rief Avery ihr zu und schlang einen seiner starken Arme um ihre
Taille, um seiner Schwester zusätzlichen Halt zu geben.
Verzweifelt krallte Belfi
sich, so gut sie konnte, in die Rinde des Baumes, rutschte aber immer
und immer wieder, spürte, wie ihr einer der Nägel einriss. Belfi
keuchte deswegen auf. Es tat weh, aber wenn sie jetzt losließ, wer
wusste schon, was dann mit ihr passierte.
Sie wollte noch nicht
sterben. Weder durch das Monster noch durch einen Sturm, welcher wie
durch Geisterhand entstand und für sie einfach nicht erklärbar war.
Was war an diesem Tag nur los?
Mit einem Mal sprang das
Monster laut kreischend und mit ausgestreckten Klauen auf seine Opfer
zu. Der Wind schien ihm nichts anhaben zu können. Es war, als würde
er auf diesem Laufen.
Ängstlich schrie Belfi
auf, wodurch zu ihrer Verwunderung das Monster noch mal innehielt und
den Kopf wieder schief legte. Als würde es auf irgendetwas lauschen.
War es wegen des Schreis? Belfi konnte es nicht genau sagen, aber sie
wollte es nicht herausfinden. Sie wollte nur, dass das Wesen einfach
wieder verschwand.
Der Wind nahm noch etwas
mehr zu, griff nach Avery und Belfi.
Zerrte an der Kleidung und
dem Haar.
Peitschte ihnen ins
Gesicht, dass sich Tränen in ihren Augenwinkeln sammelten und sie
immer wieder blinzelten, um überhaupt etwas erkennen zu können.
Und sie erkannten etwas.
Auf dem Fluss kräuselte
sich das Wasser und ein langer dunkelroter Streifen erschien. Einer,
der an Breite zunahm und zu einer Art Tor wurde. Rundherum bildete
sich ein Torbogen mit Belfi unbekannten Bildern und fremdartigen
Schriftzeichen.
Was war das nun wieder?
Belfi hatte eigentlich genug für diesen Tag erlebt und wollte keine
weitere Überraschung erfahren.
Auch das Wesen, welches
unweit von seinen Opfern entfernt stand, sah zu dem Tor herüber und
fauchte es an. Offensichtlich wollte es auch keine weiteren
Überraschungen haben und beugte sich etwas vor, als wolle es
jemanden angreifen. Die Klauen streckte es dabei ein wenig weiter
nach vorne und spannte seinen Körper an. Es war zum Absprung bereit.
Belfi, die sich noch immer
an die Baumrinde klammerte und verzweifelt versuchte nicht
loszulassen, erblickte in dem dunkelroten Tor plötzlich eine
Gestalt, die in einen Umhang gehüllt war. Die Kapuze war tief in
sein Gesicht gezogen, während sie das Tor verließ und davor stehen
blieb. Sie drehte den Kopf langsam in ihre Richtung und fixierte die
beiden Menschen, die waagerecht an dem Baum hingen.
Unter dem Umhang erschien
eine Hand mit langen scharfen Klauen, die ansonsten sehr menschlich
aussah. Die Hand streckte sich in Avery und Belfis Richtung, als
wollte sie etwas fordern und das sehr nachdrücklich.
Das Kreischen des
kleiderlosen Wesens lenkte die Aufmerksamkeit aller wieder auf sich.
Ob die zwei Verbündete waren? Belfi konnte es sich einerseits
vorstellen und es sah auch so aus, aber andererseits hatte sie das
Gefühl, dass dem nicht so war.
Das Monster stieß sich
erneut ab und riss Belfi förmlich vom Baum und aus den Armen ihres
Bruders, welcher sofort nach ihr brüllte.
„Nein, lass mich los.
Finger weg“, schrie Belfi in ihrer Panik und schlug nach den rauen
Armen, die sie festhielten. Sie waren stark. Wie sollte Belfi da nur
eine Chance haben, sich zu befreien? Aber selbst, wenn sie es
schaffte, der Wind war zu stark, als dass sie sich auf dem Boden
halten könnte. Belfi vernahm Averys Rufe, nur konnte sie sich darauf
gerade nicht konzentrieren. Sie hatte ganz andere Probleme, denn das
Monster zerrte seine Beute auf das Portal und damit auch auf den Kerl
im Umhang zu.
Gehörten die etwa doch
zusammen?
Die Angst in Belfi stieg
immer mehr und mehr an, ließ sie Dinge machen, die sie sonst nie tun
würde.
„Loslassen“, brüllte
Belfi und rammte ihrem Entführer ihren Ellenbogen in den Bauch, was
eine deutliche Wirkung zeigte.
Er ließ seine Gefangene
direkt fallen, aber wie erwartet, ergriff sie stattdessen der Wind.
Er zerrte sie in die Luft und auf das Portal zu, direkt zu dem
Kapuzenmann.
Dieser streckte bereits
die Arme nach ihr aus, als wollte er sie willkommen heißen oder
auffangen. Bevor sie ihn aber erreichte, rammte das nackte Wesen
diesen zur Seite. Belfi flog an beiden vorbei, konnte sich nirgendwo
festhalten und wurde wenig später vom Portal verschlungen. Mit
panisch geweiteten Augen sah sie zu ihrem Bruder, welcher ihren Namen
brüllte und eine Hand nach ihr ausstreckte. Der Blick wurde immer
schwärzer.
„AVERY …“, schrie
sie ein letztes Mal, aber in genau diesem Moment schloss sich das Tor
und verschwand mit seiner Beute im Nichts.
Dunkelheit umhüllte Belfi
innerhalb einer Sekunde, welche nur noch beten konnte.
Kapitel zwei:
Dunkel.
Es war so dunkel.
Die Dunkelheit war
allgegenwärtig und umgarnte ihre Beute, nur, um sie dann mit sich
ins Verderben zu ziehen.
Belfi wusste nicht, wo sie
war, sie sah auch nichts außer Schwärze. Wie viel Zeit war
mittlerweile vergangen? Tage? Wochen? Vielleicht auch Monate oder
Jahre? Oder nur eine Minute, gar ein paar Sekunden.
Sie konnte es einfach
nicht sagen und versuchte ihre Beine, nah an ihren Körper zu ziehen,
rollte sich wie ein Ball zusammen.
Was hatte sie nur getan,
um so etwas erleben zu müssen. Dabei hatte sie sich nie viel in
ihrem Leben gewünscht. Abgesehen von ihrem Bruder, den sie sehr
liebte, lediglich noch einen Ehemann, der sie freundlich behandelte.
Vielleicht sogar noch ein Kind, um das Glück vollkommen werden zu
lassen.
Außer Avery hatte sie
nichts davon bekommen, was sie schon immer sehr bedrückte. Selbst
ihr strenger Vater, der in all den Jahren ohne seine Frau immer
verbitterter geworden war, machte Belfi sehr zu schaffen. Auf seine
Hilfe und Unterstützung konnte sie nicht zählen, da dieser nur noch
das Geld und den guten Ruf sah, der mit ihrer eigenen Ehe auch zum
Teil auf ihn übergegangen war.
Nun aber war sie allein.
Allein in einer
Finsternis, die sie nicht loslassen wollte. Die Gedanken wurden dabei
immer zäher und zäher, wollten zum Erliegen kommen.
Plötzlich aber ging ein
Ruck durch Belfis Körper. Hastig öffnete sie ihre Augen und wurde
sofort von der Sonne geblendet, weswegen sie stolperte und hart auf
dem Boden aufkam. Sie spürte deutlich die aufgeschürften Knie und
Hände. Fest presste sie dabei ihre Augen zusammen und atmete
hektisch.
Was war geschehen? Wie war
sie aus der Dunkelheit herausgekommen? Sie hatte zumindest nichts
gemacht. Nur, wenn sie zurück war, dann hieß das auch, dass sie
wieder bei Avery, dem Monster und dieser fremden Kapuzengestalt sein
musste.
Schnell öffnete sie ihre
Augen erneut und sah sich prüfend um. Das Ergebnis war
niederschmetternd. Sie war allein und dazu noch an einem ihr
unbekannten Ort. Nie zuvor hatte sie eine solch trostlose Gegend
gesehen. Es war so hell, wie es der Sommer in ihrer Heimat nie
schaffte. Die Sonne blendete stark und der immer wieder aufkommende
Wind brachte haufenweise Sand mit sich, zerrte an ihrer Kleidung und
ihrem offenen Haar, als wolle er sie mit sich nehmen.
Den Eindringling
entfernen.
Belfi hob ihre Hand an die
Augen und sah sich mit wachsender Unruhe um. Alles war kahl. Überall
entdeckte sie spitze Berge und Felsen, die nur Kälte ausstrahlten.
Es war völlig trostlos an diesem Ort. Keine Bäume, keine Wiesen und
dementsprechend auch keine Blumen. Nicht das kleinste bisschen Leben
war zu sehen. Als wäre alles tot.
Wo konnte sie nur gelandet
sein?
„Avery?“, rief sie
wider besseren Wissens nach ihrem Bruder und hoffte, dass dieser um
den nächsten Felsen herumkam, um sie zu beruhigen. Ihr versprach,
dass alles gut werden würde. Sicher war sie kein Kind mehr,
fürchtete sich aber trotzdem vor dieser Fremde. Sie hatte nie
erwartet, dass sie jemals aus ihrem Dorf wegging, auch wenn sie sich
ab und an vorstellte, wie die Welt dort draußen sein musste.
Entgegen ihrer Vorstellung
von viel Leben und Natur wirkte alles an diesem Ort trist.
„Avery, komm bitte
raus“, rief sie erneut und stemmte sich endlich auf die Beine. Ihre
Knie schmerzten sofort protestierend gegen diese Bewegung. Unsicher
schlang sie die angeschlagenen Hände um ihren Körper, als würde
sie sich selber umarmen. Nur zwei Schritte ging sie in eine Richtung,
ehe sie wieder anhielt und sich umdrehte.
Direkt hinter ihr waren
nichts als Einöde und Felsen zu erkennen.
Spitze Felsen, eckige, und
sogar ein ziemlich großer, runder war dabei, der ein wenig einem Tor
ähnelte. Es gab keinen Anhaltspunkt dafür, wo sie war, gar herkam
und ob hier überhaupt Menschen lebten. Wie sollte sie das alles nur
schaffen? Das war einfach nicht zu bewältigen. Nicht für eine
schwache Frau, wie sie es war. Würde sie hier elendiglich sterben?
Kurz schniefte sie und
bemerkte dabei das getrocknete Blut an ihrer Nase.
So eintönig es hier auch
aussah. Ob es hier irgendwo einen Fluss oder See gab? Sicher war ihr
Gesicht von den Schlägen, schon ganz geschwollen. Wie gut, dass sie
gerade niemand so sah. Dennoch. Sie musste sich auf die Suche machen.
Ob sie dabei Wasser, Menschen oder etwas anderes fand, war ihr egal.
Langsam setzte sie sich
wieder in Bewegung. Die Arme hatte sie noch immer um sich
geschlungen, während sie versuchte jede Richtung im Blick zu haben.
Nicht, dass sie noch mal von einem solchen Monster oder irgendeinem
Wildtier überfallen wurde. Welche Tiere hier wohl lebten? Vielleicht
Bären? Aber hieß es nicht, dass sie nur in Wäldern existierten?
Belfi konnte weit und breit keinen Baum erkennen, sodass dieses Tier
also wegfiel. Aber was gab es sonst an einem solchen Ort? Belfi hatte
keine Ahnung und seufzte tief.
Wie viel wusste sie
eigentlich über die Welt außerhalb ihres Dorfes? Nicht sehr viel,
wie sie es sich eingestehen musste. Selbst ob das, was sie von
Wanderern und Barden vernommen hatte, richtig war, konnte sie nicht
zu hundert Prozent bestätigen.
Belfi spürte die Scham
wegen ihrer Unwissenheit in sich aufsteigen. Selbst wie sie sich
unter freiem Himmel versorgen sollte, war ihr ein Rätsel. Sie würde
jämmerlich verhungern und das machte ihr Angst.
Vorsichtig legte sie ihre
Hand an den ersten staubigen Felsen, bei dem sie ankam, und sah dort
vorbei. Sofort zog sie ihren Kopf wieder zurück. Der Wind, der ihr
so kräftig ins Gesicht blies, war unerbittlich. Belfi blinzelte für
einen Moment die Sandkörner aus ihren tränenden Augen, aber der
Wind gab nicht auf. Er wehte für einen Moment um die Ecke und ließ
sowohl ihr Haar als auch ihr Kleid hochfliegen. Schnell und aus
reinem Reflex drückte Belfi mit einer Hand das Kleid an ihrem Körper
nach unten und mit der anderen strich sie sich die Haare aus dem
Gesicht.
Wo konnte sie nur sein?
Eines aber wusste sie.
Wenn sie hier stehen
blieb, würde sie keine Chance haben zu überleben. Sie musste also
fort, weswegen sie allen Mut zusammennahm und erneut um den Felsen
trat. Jede Richtung war so gut wie die andere, da sie nicht wusste,
wo sie war und wo sich Leben befand.
Erneut griff der starke
Wind nach ihr, pustete schneidig den Sand und Staub in ihr Gesicht
und zerrte so stark, dass man meinen könnte, er wolle sie woanders
hinlocken oder sie einfach nur fliegen lassen. Mit aller Kraft
stemmte sich Belfi gegen den Luftstrom und kämpfte sich Schritt um
Schritt nach vorne.
Wie lange sie lief, das
wusste sie nicht, aber nach einer Weile bemerkte sie, wie es immer
dunkler wurde. Ein Schlafplatz musste dringend her. Entdecken konnte
sie allerdings nichts, was sich dafür eignete. Überall waren nur
trostlose Felsen zu sehen und nichts, was sie vor dem beißenden Wind
schützte. Schon längst hatte sie es aufgegeben, ihr Kleid nach
unten zu drücken, solange es ihr nicht in das Gesicht flog.
Es war ohnehin niemand
hier, der sie oder ihr Höschen sehen konnte. Viel lieber nutzte sie
die zweite Hand dazu, sich an der Felswand entlangzuschieben. Der
Sand, der sich, trotz ihrer Bemühungen sich zu schützen, in ihren
Augen festsetzte, machte sie halb blind. Ab und an entkam ihr etwas
Tränenflüssigkeit, was aber kein Wunder war.
Gab es den nirgendwo eine
Höhle, wo sie sich ausruhen konnte? Irgendeine Felsecke oder etwas
anderes? Ein Haus wäre ihr natürlich am liebsten, was aber gewiss
ein Wunschtraum blieb.
Tief seufzte Belfi auf,
nur, um dann einen überraschten Laut abzugeben. Ihre tastende Hand,
welche sie erneut vorschob, fasste plötzlich ins Leere. Sie musste
sich stark konzentrieren, um das Gleichgewicht zu behalten, da in
diesem Moment eine besonders starke Böe nach ihr griff. Schnell
sammelte sie sich wieder und versuchte etwas zu erkennen, aber es
erschien ihr unmöglich.
Fast blind betrat sie die
Höhle und stieß sich prompt die Stirn an der Felswand an.
„Ah“, entkam es ihr
schmerzerfüllt, nur, um sich auf die aufgeschürften Knie
niederzulassen und den Rest hinein zu robben. So klein die Höhle
auch sein mochte, sie würde ihr wenigstens ein wenig Schutz bieten.
Die Beine zog sie eng an ihren Körper, während ihr Blick durch
ihren kleinen Unterschlupf wanderte. Es kam ihr nicht mehr wie eine
kleine Nische vor.
Unzufrieden seufzte sie
auf und sah nach draußen.
Hatte der Wind zugenommen?
Es kam ihr so vor, da die Sandkörnchen, die ihr schon die ganze Zeit
in die Augen flogen, mehr zu werden schienen. Hoffentlich nahm dieser
Sturm bis zum nächsten Morgen ab, damit sie weiterkonnte. Sie musste
irgendjemanden finden, der ihr weiterhalf.
Wirklich schlafen konnte
sie in dieser Nacht allerdings nicht. Immer wieder sah sie durch die
dunkler werdende Nacht, ohne wirklich etwas zu erkennen. Sie nickte
ab und an ein, nur, um wenig später wieder aufzuschrecken, weil sie
glaubte, etwas gehört zu haben.
Es war aber nie
irgendetwas zu sehen.
Am nächsten Morgen war
sie entsprechend müde, kämpfte sich aber, als es etwas heller
geworden war, aus der Felsnische hervor. Der Wind hatte nicht
wirklich abgenommen, brachte aber weniger Sand mit sich, sodass sie
zwar noch gegen den Luftstrom ankämpfen, aber nicht zu viel Kraft
verbrauchen musste. Immer wieder musste sie sich an diesem Tag einen
Windschutz suchen, um etwas zu verschnaufen.
Durst kroch mit jeder
Minute und Stunde mehr durch ihren Körper, klammerte sich hartnäckig
an die junge Frau. Auch der Hunger kam schon bald hinzu. Hartnäckig
kämpfte sie dieses Verlangen zurück. Hier gab es weit und breit
nichts, was sie verzerren oder mit dem sie ihren Durst löschen
konnte. Sie musste sich also ablenken und verfiel immer mehr ins
Grübeln.
Sie wusste wirklich nicht,
wie es weitergehen sollte. Ihr Mann war tot, umgebracht von einem ihr
unbekannten Monster. Zu ihrer eigenen Verwunderung verspürte sie
keinen Verlust und keine Trauer über diese Tatsache. Gerd war nie
ein netter Ehemann gewesen, aber sie hatte es akzeptiert und damit
gelebt. Nun war sie frei von ihm, eine Witwe. Eigentlich müsste sie
diesem Monster dafür dankbar sein, wenn diese Kreaturen nur nicht
ihr ganzes Dorf ausgelöscht hätten.
Hätte es sie und ihren
Bruder nicht angegriffen, wäre sie nun nicht in dieser Situation.
Eine Situation, die nicht
wirklich einordbar war und die sie ängstigte. Dieses fremde und
unbekannte Land war einerseits erschreckend, andererseits aber auch
verlockend. Belfi fragte sich, wie die Bewohner dieser Gegend wohl
sein mochten. Waren es Bauern oder besser betuchte Menschen? Waren
sie freundlich? Oder vielleicht eher das Gegenteil?
Belfi erwartete nicht viel
von den Menschen, vor allem nicht von den Männern, aber sie hoffte,
dass es auch solche wie ihren Bruder gab. Solche, die Frauen nicht
wie Möbelstücke oder einen Besitz ansahen. Etwas, das
wahrscheinlich immer ein Wunschdenken blieb.
Eine unerfüllte Hoffnung,
denn es gab kein Wunderland.
Tief seufzte Belfi auf und
entdeckte unweit von sich einen potenziellen Felsen, der sich für
eine Pause eignen könnte. Gefühlt mussten schon Tage vergangen
sein, aber sie ahnte, dass es wohl erst wenige Stunden waren. Die
Sonne konnte sie hier, dank der Felsen, nicht sehen und trotzdem war
die Hitze nicht zu ignorieren. Nicht mal die Schatten der Berge und
Felsen, durch die sie hindurchlief, mochten die Wärme spürbar
reduzieren.
So warm die Tage auch
waren, so kalt wurden die folgenden Nächte. Belfi hatte sich eng an
eine Felswand gedrängt und die Beine an ihren Körper gezogen.
Bebend versuchte sie, an etwas anderes zu denken und sich abzulenken,
aber die Kälte hielt ihre Gedanken und ihren Körper im Griff.
Starr sah sie auf die
Hand, welche sie vor ihrem Gesicht immer wieder ballte und
entspannte. Vorsichtig bewegte sie die einzelnen Finger, nur, um sie
dann und wann unter ihre Achsel zu schieben und sie aufzuwärmen.
Auch in dieser Nacht bekam
sie so gut wie keinen Schlaf, weil sie glaubte etwas zu hören oder
weil sie meinte, beobachtet zu werden. Ohne sich zu rühren, huschte
ihr Blick durch die Dunkelheit der Felsöffnung nach draußen.
Auch die nächsten Tage
wanderte sie durch die öde Gegend, presste eine Hand vor Hunger auf
ihren stechenden Magen, während ihre Zunge am Gaumen klebte.
Immer wieder blinzelte sie
mit den Augen, aber die Sandkörner ließen sich schon lange nicht
mehr vertreiben, weswegen sie kaum klar sehen konnte.
„Wasser“, wisperte sie
leise vor sich hin. Ab und an verschwamm die Sicht vor ihren Augen,
aber sie wollte durchhalten. Irgendwo musste es einen Ort geben, wo
sie etwas zu trinken bekam.
Irgendwo.
Verzweifelt ließ sie
erneut den Blick wandern. In dem Moment knickten ihr die Beine
einfach weg und sie fiel zu Boden. Sie konnte sich gerade noch mit
den Händen abfangen, schürfte sich dort und an ihren Knien
allerdings die Haut auf. Daraufhin entwich ein leises Wimmern ihren
Lippen. Schwer atmete Belfi und kniff die Augen zusammen, um die
schwarzen Punkte zu vertreiben. Es war schwer, denn sie hielten sich
hartnäckig und brachten noch ein unangenehmes Schwindelgefühl mit
sich.
Wie viel Zeit mittlerweile
vergangen war, das wusste sie nicht. War es erst ein Tag oder lief
sie schon eine Woche durch diese Gegend? Ganz gleich, wie lange es
nun schon war, Belfi konnte einfach nicht mehr und ließ sich von
ihren Knien, flach auf den Bauch nach vorne sinken. Der stürmische
Wind fegte über sie hinweg, während sie die Augen schloss.
Nur eine kurze Pause,
nahm sie sich gedanklich vor. Ihr Körper entschied sich allerdings
gegen das Vorhaben des Mädchens und zerrte Belfi in eine
unbeständige Ohnmacht. Der Wind wehte pfeifend und flüsternd an ihr
vorbei, während Sand und Staub um sie herum knirschten.
Nach Minuten, die ihr wie
Stunden vorkamen, zwang sie ihre Augen noch mal auf. Das Erste, das
sie sah, waren ihre mit Sand und Staub bedeckten Hände. Das Zweite
waren schemenhafte Umrisse, die sie nicht zuordnen konnte. Was war
das?
Waren das Felsen, die wie
Bäume aussahen?
Hatte die Natur die Berge
so gut geformt? Ganz gleich. Belfi wollte dorthin. Sie konnte die
Schatten und die damit einhergehende Kühle förmlich spüren oder
täuschten sie ihre Sinne?
Schwach streckte sie einen
Arm aus, kniff die Augen kurz zusammen und wollte ihren restlichen
Körper der Hand hinterher bewegen. Dieser aber rührte sich keinen
Millimeter. Er schien wie mit dem Boden verwachsen zu sein.
Der Wind um sie herum nahm
an Kraft zu und auch das Knirschen dröhnte laut in ihren Ohren.
Erneut tanzten schwarze Punkte vor ihren Augen.
Wieso konnte sie sich
nicht bewegen? Sie musste weiter. Wenn sie hier liegen blieb, dann
würde sie der Tod ereilen. Verstand ihr Körper das nicht und blieb
deswegen, wo er war? Dachte er, dass er nichts zu befürchten habe,
wenn er sich eine kurze Auszeit genehmigte?
Die schwarzen Flecken
vermehrten sich noch etwas mehr, wirbelten umher und sahen plötzlich
den grauen Himmel über sich.
„Ahh“, entfuhr es ihr
und gerade, als sich etwas anderes in ihr Blickfeld schob, entglitt
sie erneut in die Ohnmacht und deren Fängen.
Schwärze und das orange
Flackern eines Feuers begrüßten Belfi, als sie ganz langsam wieder
zu sich kam. Was war geschehen? Wo war sie? Mit unangenehm dröhnendem
Kopf und einem Schwächegefühl, das sie zuvor noch nie erlebt hatte,
drehte sie den Kopf. Die Bewegung wurde von einem leisen Klirren
begleitet, dem sie aber keine Bedeutung zumaß. Sie wollte lieber
sehen, woher das Licht in der Dunkelheit kam.
„Bedros k tis(1)“
Eine genauso unbekannte
Stimme in einer unverständlichen Sprache antwortete der ersten. Im
nächsten Moment befand sich ihr Kinn in einem kräftigen Griff. Grob
wurde ihr Gesicht angehoben, sodass sie in das Antlitz eines hageren
Mannes sehen konnte. Strähniges graues Haar fiel ihm in das
vernarbte Gesicht, während an dessen Kinn Stoppeln eines Bartes zu
sehen waren. Die Augen hatten eine für Belfi eher ungewöhnliche
Farbe. Sie waren so grau wie der Himmel hier am Tag und trotzdem
schien sich etwas tief in ihnen zu bewegen. Wie ein unbeständiger,
wilder Wind.
Mit harter Stimme sprach
sie der Mann an, aber Belfi verstand kein Wort von dem, was gesagt
wurde, und wurde dafür rüde von dem Mann geschüttelt.
„Nicht … aufhören
...“, bat sie keuchend und tatsächlich ließ man sie los. Ein
Blick hinauf zu Narbe, wie sie ihn in Ermangelung eines Namens
nannte, wirkte verblüfft und sagte etwas zu seinem Kameraden, der am
Feuer stand und das Ganze wohl eingehend beobachtete. Sein Gesicht
konnte Belfi nicht erkennen, da es im Schatten lag und das lodernde
Feuer nur seine Rückfront beleuchtete.
Die undeutlichen Worte von
Narbe holten sie von ihrer Musterung zurück. Hastig drehte sie den
Kopf, wobei sich sofort Schwindel in ihrem Kopf breitmachte und sie
stöhnen ließ.
Die dunkle Stimme des
anderen Mannes schien etwas zu fordern. Kurz darauf spürte sie,
zusätzlich zu der groben Hand an ihrem Kinn, etwas Kühles an ihren
Lippen, wo kurz darauf Wasser herauskam. Einen Moment noch glaubte
Belfi, dass es sich um eine Sinnestäuschung handeln musste, ehe es
ihr gleich war. Gierig trank sie die ihr angebotene Flüssigkeit. Sie
versuchte so viel wie möglich davon zu kriegen, auch wenn sie später
Bauchschmerzen davon bekam. Ihr Magen hatte schon lange nichts mehr
außer dem hinuntergeschluckten Staub bekommen. Das würde eindeutig
eine Überforderung sein. Ganz gleich.
Narbe entzog ihr recht
schnell das kühle Nass und sprach erneut etwas in einem fordernden
Tonfall.
„Ich … ich verstehe
Sie nicht“, keuchte Belfi und spürte ein leichtes Blubbern in
ihrem Bauch. Hoffentlich übergab sie sich nicht, denn erst jetzt
bemerkte sie, dass sie ihre Handgelenke nicht sehr weit voneinander
entfernen konnte. Sie war an ihren Händen und ihrem Hals mit rauen
Seilen an irgendetwas gekettet, das sie aus ihrer jetzigen Position
nicht sehen konnte.
Zudem überkam sie eine
plötzliche Müdigkeit. Dabei war es wichtig, gerade jetzt wach zu
bleiben. Belfi konnte sich nicht dagegen wehren und entschwand der
Realität, nur, um in einen Albtraum einzutauchen, an den sie sich am
nächsten Morgen nicht mehr erinnern konnte. Das Einzige, was noch
nachhallte, war ein unangenehmes Gefühl in ihrem Bauch.
Kapitel drei:
Als sie die Augen öffnete,
war es weder hell noch dunkel. Belfi blickte für einen Moment starr
an die Decke über sich, nahm das Ruckeln um sich herum wahr,
ignorierte es aber für diesen Augenblick.
Erneut drangen fremde
Worte an ihre Ohren, sodass sie träge ihren Kopf drehte und direkt
in mehrere Gesichter blickte. Zwei Männer mit grauem, eine Frau mit
blauem und ein Kind mit schwarz-rötlichem Haar.
Eine Hand in Belfis Haar
ließ sie im nächsten Moment hochschrecken und sich aufsetzen.
Verwirrt sah sie in ein altes, knittriges Gesicht.
In den Augen der Frau
schien ein Feuer zu lodern, wie sie es noch nie zuvor sah. Vom
Gesicht her wirkte sie sehr alt, auch wenn ihr Haar noch immer
tiefschwarz mit einem Hauch Rot dazwischen war.
Die alte Frau sprach etwas
zu Belfi, nur verstehen konnte sie sie nicht, was sie ihr auch sagte.
Auf die Worte bekam sie viele verwunderte Blicke aus der Runde.
Der kleine Junge mit dem schwarzen Haar rutschte sogar etwas näher, als wolle er nicht verpassen, was hier noch geschah. Die alte Frau griff allerdings unbeirrt neben sich und zog etwas aus einem Bündel Leinen heraus, das wie eine Frucht aussah. Belfi hatte so etwas noch nie gesehen und sah das Obst, das man ihr in die Hände drückte, nachdenklich an.
Der kleine Junge mit dem schwarzen Haar rutschte sogar etwas näher, als wolle er nicht verpassen, was hier noch geschah. Die alte Frau griff allerdings unbeirrt neben sich und zog etwas aus einem Bündel Leinen heraus, das wie eine Frucht aussah. Belfi hatte so etwas noch nie gesehen und sah das Obst, das man ihr in die Hände drückte, nachdenklich an.
Was sollte sie damit?
Konnte man das überhaupt essen? Die Frucht wirkte sehr verschrumpelt
und ungesund gelb.
Belfis Bauch protestierte
sofort und forderte sein Recht, ganz gleich wie es aussah. Die Frau
hob Belfis Hände mit der Frucht zum Mund hoch, sodass Belfi sich
nicht erneut bitten ließ und herzhaft hineinbiss. Ganz gleich wie
sie schmecken mochte, alles war besser als ein leerer Magen. Alles
war besser, als wenn sie zu schwach war, um nach Hause zu finden und
vielleicht an der nächsten Ecke erneut umzukippen.
Zu ihrer Überraschung
schmeckte die Frucht weder alt noch vergammelt. Sie war süß und
erinnerte Belfi an einen Apfel, auch wenn sie im nächsten Moment
wieder ganz anders schmeckte. So etwas hatte sie noch nie gegessen,
sodass sie es gänzlich aufaß. Nicht den geringsten Krümel ließ
sie über. Erst als sie fertig war, bemerkte sie die starrenden
Blicke und schämte sich direkt ob ihrer Unbeherrschtheit.
„Können Sie mich
verstehen?“, fragte Belfi, um wenigstens irgendetwas zu sagen, aber
sie ahnte die Antwort. Die Menschen um sie herum, zumindest die
beiden Männer mit den grauen Haaren, sprachen unverständliche Worte
und auch der kleine Junge neben der alten Frau fragte etwas, das
Belfi einfach nicht verstand. Nun war sie endlich auf Menschen
getroffen und dann konnte sie keinen von ihnen verstehen.
Aufmerksam nach der kaum
ausreichenden Stärkung blickte sie sich in dem engen Raum um. Das
Ruckeln, welches die ganze Zeit über da gewesen war, nahm sie nun
auch deutlicher wahr. War dies eine Kutsche? An beiden Seiten gab es
Bänke, auf welchen die Leute saßen.
Die beiden Männer und die
Frau mit dem blauen Haar waren straff gefesselt. Vorsichtig rückte
Belfi auf der Bank etwas zurück, wobei es an ihrem Hals und ihren
Handgelenken zog. Fesseln, die sie zuvor nicht bemerkt hatte. Nicht
beim Aufwachen und auch nicht, als sie die leckere Frucht aß.
Selbst bei der alten Frau
konnte sie Fesseln erkennen. Nur dem kleinen Jungen wurde die Fessel
am Hals erspart. Er trug einzig Handfesseln, die aber mit denen der
anderen verbunden waren.
Die Holzwände wirkten alt
und verwittert und auf dem Boden lag ein wenig Stroh und Dreck herum.
Das alles erinnerte Belfi an die Hundezwinger aus ihrem Dorf.
Leise seufzte sie auf und
sah wieder zu ihren Mitgefangenen, denn das sie eine war, daran
zweifelte sie Dank der Fesseln keine Sekunde.
Die Frau mit dem blauen
Haar fiel ihr dann aber mehr auf als die anderen, da sie von allen
das ungewöhnlichste Haar besaß. Genauso blau stellte sie sich das
Meer vor, welches sie zuvor noch nie gesehen, aber davon gehört
hatte. Die Haare waren lang und zu einem Zopf am Hinterkopf gefasst.
Ihre Kleidung war aus Leder, bedeckte aber nicht ihren gesamten
Körper. Ihr Bauch und ihre Arme bis hin zu den Schultern waren frei.
An der Hüfte konnte sie noch einen Gürtel erahnen.
Dann sah sie aber lieber
wieder auf und in ihr Gesicht, auf welchem einmal irgendwelche
Farbspuren gewesen sein mussten und nun verwischt waren. Etwas an
ihrem Hals weiter unten erregte Belfis Aufmerksamkeit.
Schmuck kannte sie bisher
nur von besser betuchten Menschen, was sie dadurch wohl sein musste.
An ihrem Hals hing an
einer ledernen Kette ein Anhänger. Dieser Stein war so bunt, wie
Belfi es noch nirgendwo gesehen hatte. Was konnte das für ein
Gestein sein? Es wirkte beinahe magisch auf sie.
Fremde Worte drangen an
Belfis Ohren und eine Hand legte sich auf ihren Unterarm, sodass sie
den Blick bedauernd von der Frau abwenden musste. Kurz noch warf sie
einen Blick auf ihre Augen und bemerkte prompt, dass sie beim Mustern
beobachtet worden war.
Hastig wandte sie ihren
Kopf ab und sah lieber zu der alten Frau, die ihr etwas mitzuteilen
versuchte. Sie verstand leider kein Wort, was auch schnell klar
wurde, da die Alte sie schon bald wieder in Ruhe ließ. Der kleine
Junge aber musterte sie ungeniert weiter.
Belfi ignorierte ihn,
erhob sich und fiel wegen eines harten Rucks, der durch die Kutsche
ging, wieder zurück. Sie wollte eigentlich durch das Fenster weiter
oben am Gefährt sehen, aber bei dem Versuch aufzustehen, bemerkte
sie schnell, dass sie viel zu schwach auf den Beinen war. Wie lange
war sie wohl schon in dieser fremden Welt? Und wo ging es überhaupt
hin?
„Wo fahren wir hin?“,
fragte sie deswegen an die alte Frau gerichtet, die sie aber nur
verständnislos ansah. Belfi hatte ganz vergessen, dass hier niemand
ihre Sprache beherrschte, dabei hatte sie es vor wenigen Minuten erst
festgestellt. Ihr blieb nichts anderes über, als der Dinge, die da
kommen mochten, auszuharren. Seufzend setzte sie sich etwas bequemer
in ihre Ecke auf der Pritsche und lehnte den Kopf gegen die Holzwand.
Ihr Blick wanderte dabei wieder zu den Männern hinüber, die ihr
Gespräch beendeten und immer mal wieder zu dem Fenster hochsahen,
durch welches Belfi hatte schauen wollen.
Ob sie versuchten den
Himmel zu sehen?
Oder irgendetwas anderes?
Es dauerte eine gefühlte
Ewigkeit, bis sie draußen einen lauten Ruf hörte und die Kutsche
mit einem weiteren Ruck, der bei der holprigen Fahrt allerdings nicht
groß auffiel, anhielt. Kurz darauf vernahm sie Schritte und das
schwere Kratzen von irgendetwas, ehe sich eine Tür öffnete.
Ein Mann in hellen
Gewändern und einem Tuch vor Mund und Nase, sah ihnen entgegen. Das
Tuch gab ihnen wohl den nötigen Schutz vor den Sand- und
Staubpartikeln, die der Wind mit sich trug. Gedämpft drang eine
Männerstimme zu ihnen herein.
Fordernd.
Die alte Frau mit dem
kleinen Jungen kam als erstes nach. Sie erhoben sich und verließen
die Kutsche. Auch die Frau mit den ungewöhnlichen Haaren folgte, ehe
sich Belfi anschloss, da der fordernde Blick direkt auf ihr und nicht
den anderen Männern ruhte.
Sie war es nicht gewohnt,
dass sie vor einem Mann, wenn ein solcher sie denn begleitete, das
Haus betreten oder in diesem Fall aussteigen durfte.
Ob das an diesem Ort wohl
immer so war?
Mit zitternden Beinen
erhob sie sich von ihrem Platz, stemmte sich mit einer Hand gegen die
Holzwand und trat zu dem vermummten Mann heran. Wachsam ruhte der
Blick auf ihr, ließ sie aber näherkommen.
Als Belfi allerdings die
Stufe aus der Kutsche heruntersteigen wollte, knickten ihr
urplötzlich die Beine weg und raubten ihr dadurch das Gleichgewicht.
Ein erschrockener Laut
entkam ihren spröden und teils aufgerissenen Lippen. Belfi sah sich
schon auf dem Boden liegen, aber zu ihrem Erstaunen, spürte sie
plötzlich eine grobe Hand an ihrem Oberarm, die sie aufrecht hielt.
Schnell stand Belfi wieder sicher und sah dankbar zu der Frau mit den
blauen Haaren auf. Deren kühler Blick ruhte allerdings nur einen
kurzen Moment auf ihr, ehe sie sie wieder losließ und sich abwandte.
Starr sah Belfi ihr nach,
nur, um im nächsten Moment weitergeschoben zu werden, sodass auch
die letzten zwei Männer aussteigen konnten.
Durch harte Worte
begleitet, wurde Belfi zu einer Höhle gezerrt, in der außer den
Gefangenen noch drei andere vermummte Gestalten warteten.
Schweigend setzte sie sich
auf den ihr zugewiesenen Platz und nahm den Wasserschlauch entgegen,
der ihr ungeduldig von ihrem Aufpasser gereicht wurde. Etwas
ungeschickt entkorkte sie ihn und setzte den Schlauch an ihre spröden
und rissigen Lippen, um das kühle Nass ihre Kehle hinunterrinnen zu
lassen. Das Gefühl, wie das kalte Wasser durch die Speiseröhre
direkt in den Magen rann, war faszinierend.
Da sie nicht wirklich
etwas im Magen hatte, zog sich der Magen allerdings schmerzhaft
zusammen.
Aufhören wollte Belfi
aber nicht, deshalb trank sie noch so lange, bis man ihr den
Wasserschlauch einfach wegnahm.
Die vermummten Männer
beobachtend, wischte sie sich die Tropfen, die ihr Kinn hinabperlten,
hinfort und sah sich in der Höhle um. Es gab nicht viel mehr als in
den letzten Tagen zu sehen. Felsen, Gestein, Sand und Staub. Nur die
Anwesenheit der Menschen machte das Bild erträglicher. Auch wenn sie
kein Wort verstand, weder die leise gemurmelten der Gefangenen noch
die lauten Sätze der Wächter, tat es ihren Ohren gut, mehr als nur
die Stille und das Heulen des Windes zu vernehmen.
Langsam zog sie, an die
Felswand gelehnt, ihre Beine an ihren Körper und umschlang diese mit
den Armen, um ihr Kinn darauf zu betten. Vielleicht verschwand durch
den Druck am Bauch das unangenehme Ziehen, das durch das Wasser
verursacht wurde.
Sie hoffte es sehr.
Es mussten nun schon fünf
Tage gewesen sein, seit sie mit ihren Wärtern und den Mitgefangenen
unterwegs war. Die Umgebung, wenn sie denn rausdurften, war immer
gleich trist und öde. Die Gesellschaft so unverständlich wie eh und
je und das Unwohlsein jedes erneuten Sonnenaufgangs genauso vorhanden
wie am Sonnenuntergang des vorherigen Abends.
Nur eines war besser als
die Tage, die sie allein umhergereist war. Sie bekam Trinken und sie
bekam Essen, auch wenn es nicht sonderlich viel war.
Ihr reichte es, damit sie
keinen Hungertod starb.
Auch an diesem Tag saß
sie auf ihrem Platz in der rumpelnden Zelle und sah starr auf die
Holzwand gegenüber. Wo brachte man sie wohl alle hin? Was würde das
für ein Ort sein? Gab es denn einen schlimmeren Ort als den, an dem
sie ihr bisheriges Leben verbracht hatte? An dem sie aufwuchs?
Es war nicht leicht zu
sagen, da Belfi nicht wusste, was ihr noch bevorstand.
Ein Zupfen an ihrem Ärmel
ließ Belfi aus ihren Gedanken aufschrecken und zur Seite sehen. Es
war der kleine Junge, dem wohl langsam, aber sicher langweilig wurde
und der noch immer von ihr fasziniert schien. Er sprach etwas zu
Belfi, die aber nur bedauernd den Kopf schüttelte.
Wenn sie nur irgendetwas
verstehen könnte, aber sie hatte noch keinen Sinn hinter den
einzelnen Wörtern und Sätzen dieser Menschen gesehen, um diesen
Bedeutungen zuzuordnen.
Der Junge aber gab nicht
auf und zupfte erneut an Belfis Ärmel herum, bis sie ihn wieder
ansah. In dem Moment griff er sich an seine Haare.
„Bros(2)“,
sprach der Kleine und sah sie erwartungsvoll an. Belfi aber hatte nur
Fragezeichen über ihrem Kopf schweben, was er wohl auch bemerkte. Er
streckte sich etwas zu Belfi hinüber und griff nach ihrem Haar und
wiederholte das Wort erneut.
„Bros.“
Leicht legte Belfi den
Kopf schief, aber der Junge drehte sich um und griff nach dem Haar
der alten Frau, die es mit einem kleinen Lächeln zuließ.
„Bros“, meinte er
erneut.
Wollte er ihr etwa seine
Sprache beibringen? Etwas anderes konnte sich Belfi nicht vorstellen,
denn die Bemühungen erschienen ihr eindeutig zu sein. So griff sie
zögerlich nach ihrem Haar und hob es etwas vor ihre Augen, um sie zu
mustern. Sie waren ziemlich dreckig, was bei den Bedingungen und der
mangelnden Gelegenheit, sich zu waschen, auch kein Wunder war.
„Bros“, wiederholte
nun auch Belfi das Wort, was den Jungen sichtlich erfreute, da er
lachend in die Hände klatschte und zustimmend nickte. Sicher war
Belfis Aussprache nicht die Beste, aber den Kleinen schien es nicht
zu stören, da er sich selber erneut ins Haar griff.
„Quat Bros(3).“
Im nächsten Moment nahm
er Belfis Haar zur Hand.
„Gors Bros(4).“
Belfi musste einen Moment
überlegen. Was wollte er ihr sagen? Schmutziges und sauberes Haar?
Kurzes und langes? Der Junge griff dagegen zum Haar der alten Frau
und wiederholte die Worte, die er bei seinem Haar schon sagte, nur um
dann auf die Frau mit dem ungewöhnlichen Haar zu deuten.
„Harit Bros(5).“
Konnte es sein? Belfi sah
sich suchend um und dann auf ihr Kleid. Dort sah sie eine blaue und
eine rote Blume. Belfi deutete erst auf die Blaue und dann auf die
Rote.
„Harit und Gors?“,
fragte sie und hastig nickte der Junge, nachdem er einen prüfenden
Blick auf ihr Kleid geworfen hatte. Also hatte er die Farben der
Haare beschrieben. Belfi wiederholte die Worte in Gedanken immer
wieder. Sie wollte sich verständigen können und nicht gänzlich
hilflos in diesem Land sein.
„Sortonal(6)“,
sprach der Junge im nächsten Moment plötzlich und drückte Belfi
etwas in die Hand. Diese öffnete sie und erblickte Stroh. So prägte
sie sich auch diesen Begriff ein und nickte für den Jungen
verstehend. Im nächsten Moment legte der Kleine eine Hand auf seine
eigene Brust.
„Toras.“
Im nächsten Moment zeigte
er auf die alte Frau.
„Kara.“
Sollten das Namen sein?
Belfi war sich nicht ganz sicher. Die Worte klangen genauso fremd wie
die, die ihr der Junge vorher beibrachte. Trotzdem wiederholte sie
die Worte, deutete dabei auf die beiden entsprechenden Personen und
nannte zum Schluss, während sie auf sich selber zeigte, ihren Namen.
„Belfi ...“, verstand
sie als einziges, während der Rest wie in einem Rausch einfach
unterging. Toras aber, Belfi ging davon aus, dass es Namen waren, gab
nicht auf und nannte ihr voller Begeisterung immer wieder neue Worte.
Er hatte wohl Gefallen daran gefunden.
Viel Zeit hatten sie aber
nicht mehr, bis der Wagen am Abend erneut hielt und sie zum
Aussteigen aufgefordert wurden. Belfi wurde abseits von Toras und
Kara gebracht und saß wie am Vorabend neben der blauhaarigen Frau,
die auf Belfi sehr schweigsam wirkte. Nicht verwunderlich, wenn man
keine gemeinsame Sprache besaß, um sich auszutauschen. Trotzdem
wollte Belfi einen Kontakt knüpfen. Kurz schielte sie zu den
vermummten Männern rüber.
„Hallo, mein Name ist
Belfi“, wisperte sie zu der Frau rüber, die ihren Blick sofort
wachsam zu ihr rüberrucken ließ. Es lag keine Erkenntnis in ihren
Augen, nur Skepsis. Belfi versuchte es erneut, diesmal nur mit ihrem
Namen und mit einer Hand, die auf sich selber deutete.
„Larana“, erwiderte
die blauhaarige Frau und zeigte dabei auf sich selber. Belfi war
froh. Offensichtlich hatte sie sich verständlich machen können.
Vielleicht würde ja nun alles einfacher werden. Sie hoffte es
zumindest, denn in diesem Moment kam eine der Wachen vorbei und
bellte ihnen etwas Bedrohliches zu. Ohne es zu übersetzen, glaubte
Belfi, dass er nicht wollte, dass sie sprachen, vor allem nicht
lauter als das Ohr es vernehmen konnte.
Hastig senkte sie ihren
Kopf, um keinen Ärger zu machen.
Larana dagegen hob das Kinn an und erwiderte etwas. Für Belfi klang es mehr als herausfordernd. Etwas, das sie sich selber nie getraut hätte.
Larana dagegen hob das Kinn an und erwiderte etwas. Für Belfi klang es mehr als herausfordernd. Etwas, das sie sich selber nie getraut hätte.
Der Wachmann blieb bei der
Antwort stehen und kam mit schweren Schritten zurück, um Larana grob
am Haar zu packen und ein Stück zu sich hochzuzerren. Wütende Worte
trafen auf einen unbrechbaren Willen. Larana wagte es sich sogar, dem
Wachmann ins Gesicht zu spucken, wofür sie eine harte Schelle bekam
und zurück zum Boden donnerte.
Belfi sah schon, wie sich
der Fuß erhob und warf sich selber, ohne nachzudenken, über Larana,
die noch etwas benommen auf dem Boden lag.
„Aufhören“, rief sie
dem vermummten Wachmann zu, der sie einen Moment überrascht ansah.
Er überlegte wohl, ob sie ihn beleidigte oder eher nicht. Zu ihrem
Glück wurde der Mann von einer anderen Wache zurückgerufen. Einen
letzten abschätzenden Blick bekamen sie noch, ehe er verschwand.
Erleichtert atmete Belfi
aus und erhob sich von Larana, um nach ihr zu sehen. Hatte sie sich
verletzt? Sanft legte sie eine Hand an ihre Wange, um Laranas Kopf
etwas zu drehen. Tatsächlich sah sie an der Seite, die dem Boden
zugewendet war, eine kleine Blutspur. Sie musste sich beim Aufprall
etwas getan haben oder kam das von der Ohrfeige? Ganz gleich. Belfi
riss ein Stück Stoff aus ihrem Kleid und tupfte damit das Blut fort.
Die blauen Augen öffneten
sich nach einer Weile bei den Berührungen wieder und fokussierten
Belfi. Einen Moment hielten sie Blickkontakt, ehe sich Larana
urplötzlich aufrichtete und sich gleich darauf den Kopf hielt.
„Nicht, mach langsam“,
bat Belfi sie und hob die Hand mit dem Stoffstück zu ihrem Gesicht,
wo sie vorsichtig das Blut weiter entfernte.
Im Schein des Feuers
konnte sie zwar nicht allzu viel erkennen, aber schlimm sah die Wunde
nicht aus, sodass sie ihre helfende Hand bald wieder sinken ließ und
leise seufzte. Müde rieb sie sich mit ihrer freien Hand über das
rechte Auge und sah in die Runde. Viele ihrer Mitgefangenen hatten
sich bereits zum Schlafen niedergelegt. Wenn Belfi ehrlich war, war
sie ebenfalls ziemlich müde, obwohl sie außer im Wagen zu sitzen,
nicht viel am Tag machte.
Laranas
Hand auf ihrer lenkte Belfi von ihren Schlafplänen ab. Fragend sah
sie zu der jungen Frau hinüber, die aber nur unverständliche Dinge
in Belfis Ohren sprach. Es war wirklich frustrierend, nichts
verstehen zu können, sodass sie sich mit einem kurzen Lächeln
hinlegte. Einen Arm schob sie unter ihren Kopf, um dann ihre Augen zu
schließen.
Ich würde mich wahnsinnig über eine Rückmeldung, Rezension oder andere Nachricht von euch freuen und wie es euch gefallen hat :D
Eure kojikoji